Page 6 - ausgabe 202004
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6  Thema MIGRATION
               WERBUNG

        Reise in den Wölblinger Orient - Familie Alsayad macht das Entdecken der Ferne ...





        Der Geruch von frischem Kaffee und süßem Tee
        liegt in der Luft, der Tisch gedeckt mit orientalisch
        gewürztem Bulgur und gefüllten Weinblättern, um-
        rahmt von lebhaften Stimmen. Die rötliche Sonne
        verschwindet langsam am Horizont und für einen
        Augenblick scheint der Orient so nah.
        Eine Reise in andere Welten funktioniert auch in
        den Zeiten von Corona, denn das Entdecken neuer
        Kulturen bedarf nicht immer einer langen Anreise.
        Manchmal reicht das Öffnen einer unbekannten
        Türe in der eigenen Gemeinde, so wie die, der
        Familie Alsayad in Wölbling.



         Nicht jede Reise ist Urlaub         Familie Alsayad: Va-
        Spannende Geschichten aus der Ver-    ter Emad und Mut-
        gangenheit gibt es, so wie auf jeder Rei-  ter Randa mit ihren
        se, auch hier zur Genüge. Familienvater   Kindern Ahmad (20),
        Emad und seine Frau Randa erzählen   Nagham (19), Sham
        von ihrem Leben mit ihren fünf Kindern   (13), Rawan (12)
        in Damaskus. Die Lehrerin und der Elek-  und Layan (7).
        troingenieur und erfolgreiche Besitzer ei-
        ner Berufsschule waren ein wichtiger Teil   mussten. Für Emad bedeutete dies eine   später und mit einem positiven Asylbe-
        ihrer Gemeinde, bis sie 2014 aufgrund   wochenlange, beschwerliche Flucht, ein   scheid in der Hand konnte ihm seine Fa-
        der  lebensgefährlichen  Lage  in  Syrien   beinahe  tödliches  Schlauchbootunglück   milie auf sicherem Wege nach Österreich
        schweren  Herzes ihre  Heimat  verlassen   und mehr als 9000 Euro Kosten. Ein Jahr   folgen.


                       Anton Johann Fuchs

                       Dass St. Pölten in den letzten 150 Jahren eine derart starke wirtschaft-
                       liche Entwicklung nahm, liegt einerseits am Eisenbahnknotenpunkt,
                       andererseits an der Traisen: Sorgte diese immer wieder für nasse Füße
                       in der Stadt mit ihren Hochwässern, sind ihre Mühlbäche Antriebsmo-
                       toren für Weltkonzerne gewesen. Die Wasserkraft aus den Mühlbä-
                       chen ist auch heute noch unverzichtbar, auch wenn die meisten der                             Foto:  frankb65 auf Pixabay
                       ehemaligen Großbetriebe längst wieder Geschichte sind.

        Stadt mit nassen Füßen


        So  richtig  Teil  der  Stadt  war  der  Traisenfluss   – wo vor Jahrzehnten noch Schaumberge etwa   Wenn  man  in  der  offiziellen  Kikula-Aus-
        nie. Eine Auzone trennte das unberechenbare   der  Glanzstoff-Abwässer  sich  türmten,  steigt   schreibung liest: „Größtes Augenmerk wird
        Gewässer von den Siedlungen. Mit dem Regie-  heute die Wasserqualität ständig.  auf  Werte   wie  Inklusion,  Empowerment,
        rungsviertel ist es gelungen, Stadt und Fluss zu   Es  gibt  richtige  Traisenfans,  die  ab  April  an   Partizipation,  Capacity  Building,  Diversität,
        vereinen. Nicht allzu ehrgeizig, man wollte von   schottrigen  Uferstellen  Frischluft  und  Bade-  Nachhaltigkeit und einen klar europäischen
        Anfang an nicht das Gewässer einfach für ein   wasser genießen. Aber so richtig privat genutzt   bzw.  internationalen  Anspruch   erwartet“,
        paar  Kilometer  behübschen.  Die  Mühlbäche   werden weder Traisen noch ihre Mühlbäche.   könnte man das für eine Wasser-Spaßland-
        nehmen dem Fluss halt viel Vitalität. Und nicht   Lediglich die Naturfreunde benutzen mit ihrem   schaft ähnlich, aber verständlich formulie-
        erst seit gestern. Schon im Spätmittelalter hat   Kanuclub einen kleinen Abschnitt eines Mühl-  ren: „Sie legen Wert auf einen unbefange-
        man über Mühlbäche und Wasserräder die   baches und Teile der Traisen.  nen Umgang mit Wasser, der den Spaß am
        Wasserkraft genutzt. So stark, dass der Fluss zeit-  Wenn wir uns Millionen leisten wollen für   Wassersport  vermittelt  und  die  Gefahren
        weise austrocknete und der damals so wichtige   ein  Fingerfarben-Malzentrum  namens  Kikula   des Wasser bewusst werden lässt.“
        Fischfang  unergiebig  wurde.  Kaiser  Ferdinand   (Kinderkunstlabor), das auch ein teurer Indo-  Und dann fragen wir die St. Pöltner,
        hat daher vor fast 500 Jahren Mindest-Restwas-  or-Spielplatz werden soll, könnte man eigent-  was  ihnen  wichtiger/sympa-
        sermengen in der Traisen vorgeschrieben.  lich die Kreativität auch auf den Wassersport   thischer wäre ...
        Das Bild der Traisen hat sich in den letzten Jahr-  lenken. Was könnte man aus den Mühlbächen
        zehnten stark verändert. Ein behutsamer Hoch-  als Abenteuer-Spiel-  und  Lernplatz alles  ma-
        wasserschutz und Revitalisierungsprojekte ha-  chen, ohne die Energiegewinnung zu be-
        ben  dem  Gebirgsfluss  neues  Leben  gegeben   einträchtigen?
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