Page 56 - SCHAUrein! 3/2020
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  56 UKrulnasutbKLUESLETRURAUF WERBUNG
... dem Absurden
durchmischt und durchei- nander würfelt, weil man nur so der Wirklichkeit näher kommen kann.
Wie beschreibt es Imo- gena Doderer, ZIB: „Der Mitteleuropäische Reini- gungskult ist ein politi-
sches Buch, das mit viel Absur- dität die Gren- zen von Ideolo- gien aufzeigt.” „Was angelegt ist wie eine spannende Spurensuche, verläuft sich zusehends und das ist auch gut so: Statt die Handlung vo- ranzutreiben, ergehen sich die Protagonis-
ten in ausufernden, aber nie ermüdenden Mono- logen über die Kunst, die Gesellschaft oder das Leben. Die Vorträge sind gespickt mit klugen Ge- danken etwa über Thomas Bernhard, Virginia Woolf oder Iggy Pop”, schreibt Claudia Gschweitl (Ö1).
 Das Absurde erschließt
die Wirklichkeit
Der gebürtige St. Pöltner Musiker und Autor Bernhard Moshammer macht sich in seinem neuen Roman „Der Mittel- europäische Reinigungskult” (Milena, 2020) ans Werk, um der vermeintlichen Realität rechter Erscheinungsformen in europäischen Gesell-
schaften näherzu-
kommen.
Inhalt: Julius Asch-
mann gründet nach
einer mystischen
Erscheinung den Mitteleuropäischen
Reinigungskult, eine
Art rechte Unter-
grundsekte, tingelt
durch Gasthaus-
hinterzimmer und
Esoterikmessen, bis
er auf die ehrgeizige
Julia Mantz trifft, mit
der er eine unheilvol-
le Beziehung eingeht. Anton Wagenbach will einen Roman über ihn schreiben und ist ihm auf der Spur, die ihn nach Brighton, England, führt. Sein Freund, der Künstler Hans Tellar, tritt in einem Linzer Nazilokal auf, setzt damit alles aufs Spiel und landet im Gefängnis.
Ein leidenschaftlicher, eindringlicher Roman, angesiedelt mitten im freien Spiel der Kräfte seiner Zeit, die er beleuchtet,
  Bernhard Moshammer lässt die Protagonisten in seinem Buch „Der Mittel- europäische Reinigungskult” schwadronieren und philosophieren über die Kunst, die Gesellschaft und schließlich über das Leben selbst.
Kulturell
betrachtet
Eine
große Lücke!
In den letzten Wochen, Monaten
offenbarte sich für den kunst- und kulturaffinen Menschen zutiefst, wie sehr man Kino- und Theaterabende, Konzerte und Ausstellungen zu vermissen beginnt. Wie groß die Lücke ist, die fehlende Konfrontation mit zeitgenössischer und aufrüttelnder Kunst, in der Seele, im Geist und
in der Gefühlswelt einer dafür anfälligen Person aufreißt. Wie wichtig es ist, sich mit Kunst zu beschäftigen, die zu gesellschaftlichen Befind- lichkeiten, zu ewigen Fragen der Menschheit, etwas zu sagen hat. Konnten doch in der letzten Zeit keine kulturellen Veranstaltungen aufgrund des Corona-Shutdowns stattfinden. Gut, manche würden jetzt einwenden, über Streamingdienste und Fernsehapparate sei doch auch vielerlei an Kultur zu genießen.
Nichts kann das unmittelbare Empfinden, die unmittelbare visuelle, auditive oder haptische Begegnung mit Kunst nur halbwegs ersetzen. Ein virtueller Museumsrundgang ist doch nichts im Vergleich mit dem Erlebnis, vor einem essenti- ellen Kunstwerk zu stehen, es zu betrachten, zu riechen, die Farben förmlich aufzusaugen. Ein Kinoabend mit dem dazugehörigen Darüber-Phi- losophieren danach, vielleicht bei einem Glas Rotwein in einem netten Lokal mit guten Freun- den, kann vom Couchsurfing mit Blick auf den Fernseher nur schwer substituiert werden.
Noch unmöglicher erscheint dies im Bereich des Theaters. Mögen noch so viele Übertragungen von Theaterabenden im Fernsehen oder via Internet zu sehen sein. Direkt Schauspieler*innen agieren zu sehen, mit ihrem Spiel hautnah in beinahe Berührung zu kommen, das ist unersetz- bar. Deshalb ist es wichtig, das Kulturinstituti- onen, wie das Landestheater Niederösterreich, das gerade den nächsten Spielplan, der in eine Jubiläumssaison - das Theater wird 200 Jah-
re alt - fällt, vorstellte. Schwerpunkte werden Internationalität und Vielsprachigkeit, aber auch Regionalität und Bürgernähe sein. Es erwarten uns bunte, laute und feministische Abende, wie der Eröffnungsabend mit „Die Schule der Frauen“ am 18. September, ein spannender Nestroyscher Talisman, ein aufgrund des scheinbar immerwäh- renden Rassismus in der Gesellschaft äußerst aktueller Othello, Uraufführungen und hochwer- tige Gastspiele wie der „Faust“ vom Schauspiel- haus Zürich und „Die Reise der Verlorenen“ vom Schauspielhaus Köln. Es ist wieder gut, dass uns Kunst bald wieder hautnah begleiten wird, nicht nur Perfidie und Possenreißerei in der Politik.
   Foto: zVg, www.bernhardmoshammer.com
Foto: Christa Reichebner Andreas Reichebner




























































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